Otto-Pankok-Straße 45-47

Otto-Pankok-Straße 45-47


Denkmal Otto-Pankok-Str. 45-47 „Boegelmanns Hof“

 Die Betrachtungen auf die geografische Lage dieses Hofes und auf seinen Namen „Hof Saarn“ – etwa ab Mitte des 15. Jahrhunderts „Hof op dem Bögel“ – erlauben durchaus Rückschlüsse darauf, dass es sich bei diesem Hof um den Saarner Urhof handelt – nämlich die älteste Siedlungsstelle in Saarn. Das schreibt der Saarner Hobby-Historiker Heinz Weirauch in seinem Buch „Von Bauern und Köttern Pächtern und Aufsitzern – Höfe und Kotten in Saarn“.

 

Der Name „Hof op dem Bögel“ heißt übertragen „Hof auf dem Hügel“ und bezeichnet mit seinem Namen wohl die hochwassergeschützte Lage auf dieser Anhöhe oberhalb des Ruhrtals. Zum Vergleich: Das Saarner Kloster (gegründet 1214) ruht ebenfalls auf einem Miniberg mit Sicht auf die Ruhr.

 

Unter der knapp einen Meter hohen Ackerkrume steht eine etwa fünf Meter starke Schicht an. Diese besteht aus hoch verdichtetem, rund geschliffenen Geröllstücken und Sand. Geologen sprechen von Resten eines Urstromtals der Eiszeit. Selbst die stärksten Hochwasserfluten der Ruhr können diesem Bollwerk – bisher noch – nichts anhaben.

 

Vielleicht in Anlehnung an die dort hinführende Hennenstraße wird der Hügel in Saarn auch als „dä Hünnerbärch“ bezeichnet. Bis Ende der 1980er Jahre krähen auf dem Boegelmannschen Hof Hähne, scharren Hennen (Hünner) im weitläufigen Garten neben dem Hühnerberg. Andere Anlieger geben die Hühnerhaltung bereits bis Ende der 1960er Jahre auf.

 

Die früheste Namens-Bezeichnung des Hofes findet Heinz Weirauch in einem Kaufvertrag aus dem Jahr 1281. Dieser gilt als Beleg für die Existenz dieses Bauernhofes, der damals die Bezeichnung „Hof Saarn“ führt.

 

Ursprünglich dem Stift Gerresheim gehörend, verliert dieses Mitte des 14. Jahrhunderts sein Besitzrecht an diesem Hof. Bis zu diesem Zeitpunkt sind einige Äcker auch an die Zisterzienserinnen des Saarner Klosters verpachtet.

 

Neue Eigentümer sind ab 1351 das Kloster Werden, der Ritter Johann von Limburg-Styrum, Burghard Edelherr von Broich und Ritter Remhold von Landsberg, die das Gut zu Erbzins verpachten. Die Besitzanteile des Klosters Werden und des Ritters von Limburg-Styrum übernehmen später die Herren von Broich. Die Anteile des Ritters Remhold fallen zurück an das Stift Gerresheim.

 

Die Herren von Broich führen das landwirtschaftliche Anwesen ab 1416 als Oberhof für ihre Saarner Besitzungen. Rund 100 Jahre später registrieren sie den Hofbestand mit 37 Morgen (ein Morgen hat zu dieser Zeit etwa 2.500 Quadratmeter) sowie zwei Waldstücke in der Saarner und Speldorfer Mark. Die jeweiligen Pächter müssen jährlich reichlich Getreide und Tiere an die Hofeigentümer abliefern.

 

Mehr als 250 Jahre später dürfen die damaligen Pächter, die Eheleute Wilhelm und Christina auf dem Bögel, geb. Unterweg 1780 den Anteil des Stiftes Gerresheim gegen eine Geldablöse übernehmen. 1802/1804 können sie auch die Besitzanteile der Herren von Broich kaufen. So gelangt der Hof komplett in das Eigentum der Eheleute auf dem Bögel und ist damit erstmalig frei von Naturalabgaben und Pachtzins.

 

In den folgenden Jahrzehnten wechseln die Besitzer des Anwesens noch mehrmals. Die Gebäude dienen dem Preußischen Staat häufig als Soldatenquartier. Seit 1895 gehört der Boegelmanns Hof der Familie Hesselmann. Aus Krankheitsgründen muss Friedrich Hesselmann die Landwirtschaft 1910 aufgeben. Seine Tochter und die beiden Söhne gehen andere Wege. Die Witwe muss die Acker- und Waldstücke in den 1920er Jahren – während der Inflationszeit – teilweise verkaufen.

 

Ursprünglich stehen nur bewohnte Häuschen oder Holzbauten auf dem Hügel. Erst um 1750 entsteht zusätzlich der eingeschossige, langgezogene Fachwerkbau mit Walmdach (ein Hühner-, Kuh- und Schweinestall, Heuboden und Speicher) als Mittelteil der heute sichtbaren Hofbebauung. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird diesem Stalltrakt an der Nordwestseite – nahe der Hügelkante – ein zweigeschossiger Wohnbau aus Fachwerk (Teilflächen sind mit Schiefer bedeckt) angefügt. Das vordere Fachwerkhaus datieren die Quellen um 1845-50. Es ersetzt einen früheren, kleineren Bau.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entsteht an der Ostseite des langen Stallgebäudes ein weiterer eingeschossiger Fachwerkanbau. Dieser Hesselmannsche Saal besitzt jedoch eine Giebelwand aus gebrannten Ziegeln. Der Saal fasst rund 150 Besucher. Darin treffen sich Frauen und Männer einer evangelischen Gemeinschaft zu Erbauungs- und Missionsstunden. Später bildet sich ein beachtlicher, gemischter Chor, schreibt Friedhelm Lefherz in Heft 80 der vom Mülheimer Geschichtsvereins e.V. herausgegebenen Schriftenreihe im Buch über evangelische kirchliche Gemeinschaften, die nicht zu einer Kirchengemeinde gehören. Friedrich Hesselmann jun. wird Mitte der 1930er Jahre Chorleiter und Organist an der in Sichtweite stehenden evangelischen Dorfkirche.

Das Nazi-Regime beschlagnahmt Mitte des Jahres 1940 alle Hofgebäude, um dort wohnungslose Familien einzuquartieren. Fast alle genießen seither auf dem Boegelmannschen Hof mietfreie Wohnrechte bis zu ihrem Ableben. Eine gerichtliche Klärung, ob dieser Zustand nach Ende der Willkürherrschaft rechtens ist, kommt nie zu Stande. Den Besitzern fehlt mangels Einnahmen das Geld für diesen Prozess. Eine notwenige Instandhaltung der Gebäude bleibt daher über Jahrzehnte blockiert.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzt die Evangelische Gemeinde Saarn den Hesselmannschen Saal für Chorproben und Feiern - bis sie den eigenen Gemeindesaal hinter dem Haus Kinderlust in den 1950er Jahren baut. Auch die Pfeifen für die neue Orgel werden 1962 in den Saal geliefert, dort sortiert, ausgepackt und zu Fuß in die Dorfkirche zur Montage getragen. Das Saarner Möbelhaus Bernskötter richtet danach in diesem Saal ein Möbellager ein. Ein Schuh- und ein Weinlager folgen. Inzwischen nutzen die Eigentümer das Gebäude.

 

Heute wird der Boegelmanns Hof in der vierten Generation geführt. Eine zweite Eigentümerfamilie garantiert zusätzlich den Fortbestand des unter Denkmalschutz stehenden Ensembles – immer noch von einer teilweise verputzten Bruchsteinmauer eingerahmt. Der einst zum Anwesen gehörende Obstbaumhof auf der Nordwestseite muss als Folge einer Erbteilung verkauft werden. Dort stehen heute die nicht zur Fachwerkhausbebauung der Umgebung passenden Neubauten Otto-Pankok-Straße 39-43.

 

Auf der platzartigen Erweiterung vor der Umfassungsmauer, „däm Hünnerbärch“, steht bis im Zweiten Weltkrieg der Saarner „Pittermann“ (im Adressbuch unter Hennenstraße 14 aufgeführt). In ihm hat bis Mitte der 1930er Jahre der Saarner Dorfpolizist seinen Dienstsitz. Im Gebäude ist ebenfalls die Arrestzelle der Saarner Polizei untergebracht. Letzter „Dorf-Sheriff“ mit seinem Dienstsitz dort im „Pittermann“ ist der Polizist Block, wegen seiner roten Haare in Saarn auch oftmals „Der blaue Block“ genannt.

 

Als die Polizei etwa 1935 ihre Dienststelle zur Landsberger Straße verlegt, nutzt das städtische Tiefbauamt das Gebäude zur Unterbringung ihrer Baukolonne für den Bereich Saarn. Die Explosion einer Luftmine 1943 neben dem nahen Baumerhof, Holunderstr. 11, lässt den „Pittermann“ und andere Häuser in der Nachbarschaft zusammenfallen.

 

Von einem Brunnen auf diesem Platz ist ebenfalls die Rede. Einzelheiten dazu sind nicht bekannt. Hinter der Mauer, im Hühnerstall auf dem Boegelmanns Hof, ist ein Brunnen bis 1988 in Betrieb. Drei weitere Brunnen auf dem Areal geben bis etwa Mitte der 1960er Jahre Trinkwasser, bevor der Anschluss an das städtische Leitungsnetz notwendig wird. Eine Reaktivierung der Brunnen ist nicht ausgeschlossen.

 

Für die Richtigkeit:                                                  „Ein Projekt des Stammtisches „Aul Ssaan“

F. Wilhelm von Gehlen

Frank-Rainer Hesselmann                               

 

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